Der Schadstoff-Skandal bei zwei VW-Modellen zieht weitere Kreise.
Allein bei einer Anwaltskanzlei im Schwarzwald haben sich innerhalb einer Woche rund 100 weitere VW-Kunden gemeldet, die von teils heftigen Problemen mit ihren Fahrzeugen berichteten.
VW im Schmerz-Fokus
Die „Braunschweiger Zeitung“ hatte erstmals Ende 2024 von den Vorkommnissen berichtet. Anfang Juli 2025 wurde der Skandal dann durch einen Beitrag im ZDF-Magazin „Frontal“ bundesweit bekannt. Konkret geht es um den beliebten Edel-Camper VW Grand California. Wobei auch der VW Crafter mit Hochdach im Fokus steht. Das Magazin warf Volkswagen Nutzfahrzeuge vor, nicht nur jahrelang erhöhte Schadstoff-Konzentrationen in den Innenräumen in Kauf genommen, sondern auch seine Kunden nicht darüber informiert zu haben. Dabei ging es sogenannte „VOCs“. Das sind flüchtige organische Verbindungen aus dem Hochdach. VW widersprach der Darstellung aber vehement und betonte, dass die gemessenen Werte immer unterhalb geltender Richtlinien lagen.
VW-Bulli: Camper klagen über üble Kopfschmerzen – „Geruch ist so brutal“ +++
Für viele betroffene und enttäuschte Kunden dürfte das wie Hohn klingen. Nicht nur im ZDF, sondern auch gegenüber der Verbraucherkanzlei Dr. Stoll & Sauer berichten sie über diverse gesundheitlichen Beschwerden, die sie mit Ausdünstungen aus dem Innenraum ihrer Fahrzeuge in Verbindung bringen. Viele berichten von Symptomen wie Kopfschmerzen, gereizten Augen, Hustenreiz, Schwindel oder Kreislaufproblemen. Demnach haben die Schilderungen vor allem eines gemein: Einen süßlich-chemischen Geruch im Innenraum, der über Jahre hinweg nicht verflogen ist – besonders deutlich bei Hitze oder geschlossenen Fenstern. Das hier haben die betroffenen VW-Kunden unter anderem dazu gesagt:
- „Es stinkt zum Himmel – dieser penetrante Geruch ist nach fünf Jahren nicht verschwunden. Vor allem bei Sonne wird es unerträglich.“
- „Meine Frau hat jedes Mal rote, brennende Augen, wenn sie im Camper schläft – selbst bei offenem Fenster.“
- „Unsere Kinder mussten sich beim Schlafen im Hochbett übergeben. Wir dachten erst an einen Infekt. Jetzt sind wir schockiert.“
- „Bei langen Fahrten hatte ich immer Kreislaufprobleme und Kopfschmerzen. Bei meinem Mann wurden sogar erhöhte Tumormarker festgestellt.“
- „Der Verkäufer sagte, das verfliegt. Aber auch nach drei Jahren riecht es stark chemisch. Wir haben uns immer gefragt, ob das wirklich normal ist.“
- „Schon bei Übernahme ein starker Geruch – inzwischen sind Kopfschmerzen, Husten und Schlaflosigkeit unser Reisebegleiter.“
- „Wir mussten unseren Urlaub an der Ostsee abbrechen – unsere Tochter hatte starke Symptome. Heute bin ich überzeugt, dass es am Fahrzeug lag.“
- „Man fühlt sich wie gerädert nach einer Nacht im Fahrzeug. Der Geruch ist dauerhaft präsent.“
- „Nach längerer Fahrt bekomme ich immer Kopfschmerzen. Meine Enkelkinder klagten über Übelkeit.“
- „Ständig brennende Augen, Übelkeit und Schwindel – aber wir dachten lange, wir seien einfach wetterfühlig.“
- „Nachts mit geschlossenem Fenster war es am schlimmsten – der Geruch wurde richtig beißend.“
- „Wir haben uns einen Campertraum erfüllt – und wachen regelmäßig mit Kopfschmerzen auf.“
- „Meine Frau bekommt jedes Mal juckende Augen, und mein Sohn klagt über Husten, wenn wir unterwegs sind.“
- „Unwohlsein, Kopfschmerzen, Antriebslosigkeit – wie gerädert nach dem Aufwachen.“
- „Seit wir das Fahrzeug besitzen, schlafen wir deutlich schlechter und haben oft Schleimhautreizungen.“
Besonders dramatisch ist aus Sicht der Kanzlei die Tatsche, dass viele Halter eines VW Grand Californias ihre die gesundheitlichen Beschwerden erst jetzt mit ihrem Fahrzeug in Verbindung bringen – nachdem durch Medienberichte und interne Unterlagen bekannt wurde, dass der VW-Konzern schon seit Jahren von den Schadstoff-Werten wusste.
„VW-Nutzfahrzeuge“ soll sich den Anwälten zufolge wie folgt zu den Problemen geäußert haben: Die Ausdünstungen seien im Neuzustand in Verbindung mit hohen Temperaturen am höchsten und nehmen über die Zeit ab. „Mit umfangreichen Untersuchungen hierzu wurde medizinisch bewertet, dass es durch temporäre Ausdünstungen zu keiner gesundheitlichen Gefährdung kommt, allenfalls kann es in Extremfällen zu vorübergehendem Unwohlsein kommen.“ Das lasse sich aber durch regelmäßiges Lüften verhindern. Die betroffenen Kunden, die sich bei Dr. Stoll & Sauer gemeldet haben, sehen das Ganze natürlich völlig anders als der mächtige VW-Konzern.
„Wie in einem Chemielabor“
Zumal leidgeplagte Camper in mehreren Threads im bekannten VW-Nutzerforum caliboard.de schon seit Jahren immer wieder über auffällige Gerüche im Grand California berichteten – ohne je eine offizielle Erklärung oder Hilfe vom Konzern erhalten zu haben. „Wenn der Grand California in der Sonne steht, riecht es im Innenraum wie in einem Chemielabor. VW sagt: Das sei normal“, heißt es hier unter anderem. Oder: „Es ist unser erster Camper. Wir dachten, das müsse so riechen. Aber Kopfschmerzen, brennende Augen und Übelkeit auf fast jeder Fahrt sind wohl kaum normal.“ Besonders tragisch: Viele der Camper hielten ihre Beschwerden offenbar für Einzelfälle oder persönliche Empfindlichkeit – da es keine offizielle Information von VW gab. Umso bestürzter zeigen sie sich jetzt, weil der Konzern bislang keinen Rückruf eingeleitet hat.

Offenbar brauchte es erst Medienberichte, um den VW-Schadstoff-Skandal ans Tageslicht zu bringen: Erste Hinweise auf überhöhte Konzentrationen von Formaldehyd, Benzol und Styrol stammen aus einem internen VW-Revisionsbericht, der in einem Verfahren vor dem Arbeitsgericht Braunschweig öffentlich wurde. VW-Manager klagen aktuell gegen den Konzern. Sie hatten intern auf die Missstände beim Grand California hingewiesen und waren daraufhin nach Ansicht der Manager vom VW-Konzern kaltgestellt worden. Dadurch entgingen ihnen Beförderungen und Gehaltszuwächse. (Mehr dazu liest du HIER!)
Nachhaltig, transparent und verantwortungsvoll?
Die Staatsanwaltschaft Braunschweig ermittelt der Kanzlei zufolge mittlerweile gegen Verantwortliche bei VW – parallel zum Gewerbe-Aufsichtsamt. Brisant: Just zu dem Zeitpunkt, als intern entschieden wurde, Fahrzeuge mit bekannten Schadstoff-Emissionen weiterzuverkaufen, war der Konzern offiziell noch mit der Aufarbeitung des Diesel-Abgasskandals beschäftigt. Damals hieß es, man wolle künftig „nachhaltig, transparent und verantwortungsvoll“ produzieren.
„Dass interne Kontrollsysteme laut VW-Revisionsbericht versagten, Bauteile ohne ausreichende Tests freigegeben wurden und interne wie externe Grenzwerte ignoriert wurden, wirft Fragen nach dem tatsächlichen Willen zur Veränderung beim VW-Konzern auf“, sagt Dr. Stoll & Sauer. Demnach habe VW die betroffenen Dächer laut interner Unterlagen bereits ab Mai 2022 mit einer Versiegelung behandelt, um so das Problem einzuschränken – verzichtete aber auf eine Rückruf-Aktion oder aktive Kunden-Information. Im Bordbuch wurde lediglich ein Hinweis eingefügt: „Sollten Sie sich unwohl fühlen, stellen Sie das Fahrzeug ab und lüften Sie es.“
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Nach Einschätzung der Kanzlei liegen Verstöße gegen das Produktsicherheits-Gesetz und möglicherweise gegen das Gewährleistungsrecht vor. Zudem steht der Vorwurf der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung Raum. Dr. Stoll & Sauer empfiehlt allen Haltern eines VW Grand California oder VW Crafters mit GFK-Hochdach, ihren Fall rechtlich prüfen zu lassen. Neben möglichen Gesundheitsrisiken drohe auch ein erheblicher wirtschaftlicher Schaden durch Wertverlust beim Wiederverkauf.