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Totgeschütteltes Baby: Emotionales Urteil

Totgeschütteltes Baby: Emotionales Urteil

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April 2016: Der 28-jährige Angeklagte sitz bei Prozessbeginn im Landgericht Braunschweig in Braunschweig. Foto: dpa
  • Zwei Jahre auf Bewährung
  • Sohn war Wunschkind
  • Richter: „außergewöhnlicher Fall“

Braunschweig/Wolfsburg. 

Nervös rutscht der junge Vater in seinem Stuhl hin und her, knetet sich die Finger. Tränen laufen ihm über das Gesicht, während der Vorsitzende Richter das Urteil verkündet. Der Mann, der sein Baby zu Tode geschüttelt hat, muss nicht ins Gefängnis. Das Landgericht Braunschweig verurteilt ihn am Freitag zu einer zweijährigen Haftstrafe, die aber zu vier Jahren zur Bewährung ausgesetzt wird.

Kind hörte nicht auf zu schreien

Im Prozess hatte der 28-Jährige aus Wolfsburg gestanden, seinen dreieinhalb Monate alten Sohn heftig geschüttelt zu haben, weil dieser nicht aufhörte zu schreien. Das Kind starb einen Tag darauf ihm Krankenhaus.

Richter Ralf Polomski spricht von einem „außergewöhnlichen Fall“ – obwohl es keine traurige Seltenheit sei, dass in Deutschland Babys zu Tode geschüttelt würden. „Sie waren ein liebevoller Vater und wer Sie hier erlebt hat, kann sich nicht vorstellen, dass es an dem Tag anders war“, sagt er zum Angeklagten.

Nur eine Stunde…

Etwa eine Stunde sollte der Mann im letzten September auf seinen kleinen und für sein Alter sehr aktiven Sohn aufpassen, während seine Ehefrau zum Einkaufen ging. Als sie zurückkommt, hat sich alles verändert. Bleich und schwer atmend liegt das Kind auf dem Sofa. Der Junge habe sich gestoßen, erklärt der Vater zunächst. Erst später gesteht er, dass er allein für den Zustand des Kindes verantwortlich ist.

Taufe vor dem Tod

Die Eltern rufen den Notarzt. „Doch es war zu spät für eine Rettung“, sagt Richter Polomski. Im Krankenhaus lassen die beiden das bewusstlose Kind noch taufen, einige Stunden später ist es tot. „Ich habe mir das Beste, was ich hatte, selbst genommen“, bekannte der Angeklagte während des Prozesses. Sein Sohn sei ein Wunschkind gewesen.

Verletzung in Kauf genommen

Auch die Kammer habe erkannt, dass der Mann schwer unter dem Geschehenen leide, so der Richter. Dennoch geht das Gericht davon aus, dass er seinen Sohn in dem Moment verletzen wollte. Er sei erschöpft gewesen von der Arbeit und wütend darüber, dass er das Kind nicht ohne Hilfe beruhigen konnte – also schüttelte er den Jungen mehrfach heftig. „Sie haben eine Verletzung Ihres Sohnes zumindest billigend in Kauf genommen, auch wenn Sie das schon Sekunden später bitterlich bereut haben“, sagt der Richter.

Ehefrau wieder schwanger

Im Publikum sitzt am Freitag auch die erneut schwangere Ehefrau des Angeklagten. Auch sie verfolgt die Urteilsverkündung weinend. Ihre Aussage im Prozess und das Geständnis des Angeklagten seien für das Gericht von hohem Wert gewesen und hätten sich positiv ausgewirkt, sagt der Richter. „Wenn Ihre Frau beschlossen hat, Ihnen weiter zu vertrauen, sollte auch das Gericht nicht allzu leichtfertig nach hohen Strafen rufen“, sagt er. „Seien Sie froh, dass Sie so eine Ehefrau haben.“