Dass Tierpfleger keinen leichten Job haben, ist kein Geheimnis. Täglich arbeiten viele bis zur Erschöpfung, um ihren Schützlingen das Leben zu erleichtern. Päppeln sie auf, wenn es ihnen schlecht geht und geben die Hoffnung nicht auf, dass die Kleinen irgendwann in liebevolle Familien aufgenommen werden.
Als wäre der Alltag nicht schon stressig genug, schlägt der Tierschutzverein Quedlinburg im Harz jetzt Alarm. Dort ist die Lage aktuell besonders stressig. Schuld daran: Eine regelrechte „Flut“ an Kitten – und Katzenbesitzer, die ihre Tiere nicht kastrieren lassen.
Tierheim im Harz leidet unter „ewigem Kreislauf“
„Es ist sehr schlimm gerade“, sagt eine Tierpflegerin zu News38. Jeden Tag würden neue Katzen im Tierheim abgegeben. „Es vergeht kein Tag, an dem kein neues Fund- oder Abgabetier bei uns eintrifft“, sagt die Tierpflegerin. Immer wieder erreichten das Tierheim Anrufe über entdeckte Mutterkatzen mit ihren Babys – meist versteckt in Gartenanlagen. Das Tierschutz-Team nehme die kleinen Kätzchen liebevoll auf und versuche, auch die scheuen Mütter zu fangen: „Doch viele von ihnen trauen den Fallen nicht und bleiben in Freiheit zurück. Dann geht das von vorne los. Wenn die scheuen Mütter nicht eingefangen werden, dann ist das ein ewiger Kreislauf.“
Die unkastrierten Mütter würden wieder trächtig – und wieder gebe es kleine Kitten, die ohne Zuhause durch die Gärten streunern. Im Sommer kümmerten sich zwar einige Menschen um die Tiere im Garten, aber im Herbst und Winter, wo die Menschen in ihre Häuser zurückkehrten, blieben die Samtpfoten oft allein zurück. „Das ist das große Problem“, so die Tierpflegerin.
„Das kann sich keiner mehr leisten“
Etwa 60 Katzen leben ihr zufolge allein im Tierheim in Quedlinburg. Die Zahmen unter ihnen würden schnell vermittelt, Probleme gebe es dann mit den „Dauer-Insassen.“ Mutter- und Babykatzen kämen meist zusammen ins Tierheim – die Mutter werde dann kastriert und die Kitten schnell vermittelt. „Die Mutter bleibt dann über“, erzählt die Pflegerin. Sie lasse sich nicht anfassen; vermeide Menschenkontakt. Nur wenige Menschen wollten so eine Katze bei sich aufnehmen. „Wir haben viele Zimmer, wo nur Katzen drin sind, die keiner anfassen kann. Die haben dann wirklich sehr schlechte Chancen“, so die Pflegerin. Im schlimmsten Fall blieben sie ihr ganzes Leben im Tierheim.

Die Pflegerin, die seit 22 Jahren mit Tieren arbeitet, sieht das Problem bei den Menschen. Viele rechneten beim Katzenkauf nicht die hohen Kosten mit ein, und schmissen die Samtpfote dann raus, wenn sie zu teuer wird. Unkastriert bekomme sie dann in freier Natur wieder Nachwuchs, der wiederum oft im Tierheim ende.
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Die Lage verschärfe sich immer weiter – und das gehe auch ins Geld. „Das kann sich keiner mehr leisten, eine Kastration für 150 Euro. Das ist einfach irre.“ Die Tierschutzvereine kastrierten Unmengen an Katzen jedes Jahr, was eine große finanzielle Lücke hinterlasse. Zwar erhielten Vereine eine bestimmte Summe an Geld, welches für Kastrationen zur Verfügung steht, allerdings sei das schnell weg. „Wir haben unseres für dieses Jahr schon aufgebraucht. Alles, was jetzt kastriert wird, das bezahlt unser Tierschutzverein.“ Viele Tierheime blieben auf den Kosten sitzen. Einfach aufhören komme für das Tierheim Quedlinburg trotzdem nicht infrage. „Aber irgendwann wird es so kommen, wenn das Geld überall knapper wird“, sagt die Tierpflegerin.

Politik muss handeln
Auch wenn es finanziell enger werde, könne sich das Tierheim aktuell noch über Wasser halten. Man komme über die Runden. „Die Einnahmen werden zwar immer weniger, wie überall eigentlich, weil ja die Preise überall steigen. Aber so geht’s uns eigentlich noch gut.“ Das Tierheim finanziert sich auf Spendenbasis und organisiert vier Feste im Jahr, um Geld reinzubekommen. Eins im Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Das gerade erst vergangene Herbstfest habe dem Tierheim wieder ein wenig Luft gegeben. „Da haben wir selbst gestaunt, wie viel da zusammengekommen ist. Es war wirklich sehr, sehr toll, was die Leute doch noch an Geld überhaben.“
Eine Dauerlösung sei das aber nicht. Deshalb fordert die Tierpflegerin auch Unterstützung aus der Politik – auch im Namen anderer Tierheime, die finanziell schlechter aufgestellt sind. „Seitens der Regierung müsste da mehr getan werden für den Tierschutz, damit das Problem nicht so wird wie im Ausland“, sagt die Pflegerin. Sie sieht die Schuld in der Politik, weil die Tierarztkosten so gestiegen sind.
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Aber auch Katzen-Besitzer tragen aus ihrer Sicht zum Problem bei. „Die meisten Menschen wollen immer ein Tier haben, das ihre Bedürfnisse stillt. Die wollen einfach nur etwas haben für sich“. Dass das Tier eine Seele habe, werde oft vergessen. Ihre Bitte: Mehr Menschen sollen Verantwortung für ihre Tiere übernehmen. Beim Thema Kastration sieht die Pflegerin in der nächsten Zeit aber erstmal kein Ende in Sicht, weil die Kosten immer weiter steigen. Den Hebel dafür müsse die Regierung umlegen.



