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„Hallo Niedersachsen“: Acht Schüsse töten Nienburger – jetzt spricht seine Freundin! „Wie ein Tier erschossen“

Acht Schüsse töteten den Nienburger Lamin Touray. Bei „Hallo Niedersachsen“ werden schwere Vorwürfe laut. Auch von der Freundin des Toten.

„Hallo Niedersachsen“
© picture alliance/dpa | Moritz Frankenberg

Gewahrsam? Festnahme?

Was diese Polizei-Begriffe wirklich bedeuten

Mehrere Schüsse feuerten Polizisten am Karsamstag auf den Nienburger Lamin Touray ab. Für den ursprünglich aus Gambia kommenden Mann kam jede Hilfe zu spät. Der 46-Jährige ist tot.

Zu den Umständen des Schuss-Dramas gibt es jetzt verschiedene Erklärungen. Das Opfer soll seine Freundin bedroht haben, anschließend die Polizisten, heißt es. Bei „Hallo Niedersachsen“ werden jetzt aber andere, schwere Vorwürfe laut.

„Hallo Niedersachsen“: Freundin äußert sich

Sie soll den Notruf gerufen haben, weil ihr Freund sie mit einem Messer bedroht habe – so jedenfalls die bisherige Erklärung. Doch jetzt hat die Freundin von Lamin Touray der Annahme in einem Interview mit der „taz“ widersprochen.

Bedroht habe sie ihr Freund nie. Die Polizei alarmierte sie, weil sich das Opfer in einer psychischen Ausnahmesituation befunden habe. „Statt zu helfen, haben sie ihn wie ein Tier im Wald erschossen“, wie sie gegenüber der Zeitung behauptet.

Dazu hat sich jetzt auch noch der niedersächsische Flüchtlingsrat gemeldet. Muzaffer Öztürkyilmaz sagte dem NDR, dass allenfalls eine Selbstgefährdung bestand. Die Polizei behaupte das Gegenteil, dass es eben eine Fremdgefährdung für die Beamten gab – deshalb dann die Schüsse gefallen seien.

„Brauchen endlich eine unabhängige Ermittlungsstelle“

Öztürkyilmaz macht deutlich: „Wir verstehen nicht, weshalb die Polizei sich in solchen Situationen nicht zurückziehen kann. Professionelle Hilfe anfordert, beispielsweise durch Psychiater, um die Situation zu befrieden.“

Der Rat sehe bei dem Fall von Lamin Touray außerdem Parallelen zu anderen Fällen. In den vergangenen vier Jahren hat es fünf ähnliche Fälle gegeben, wie der Flüchtlingsrat behauptet. Dabei seien geflüchtete Menschen durch ähnliche Polizeigewalt ums Leben gekommen.

Auch der Sprecher der Grünen Jugend Niedersachsen, David Christner, übte scharfe Kritik am Vorgehen der Beamten. „Man muss sich fragen, ob ein Einsatz mit 14 Polizisten und einem Hund in der Form richtig und notwendig war, wenn bereits zuvor bekannt war, dass der Mann sich in einem Ausnahmezustand befand“, sagte er der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Zugleich warf er Landesinnenministerin Daniela Behrens (SPD) vor, zu wenig für die Sicherheit von Migranten in Niedersachsen zu tun. „Wir brauchen endlich eine unabhängige Ermittlungsstelle, die solche Fälle aufklärt“, forderte er.

Staatsanwaltschaft warnt vor voreiligen Schlussfolgerungen

Die Staatsanwaltschaft Verden warnt allerdings angesichts dessen vor voreiligen Schlussfolgerungen. In dem „taz“-Interview und der Stellungnahme des Flüchtlingsrates würden „vielfach gewisse Umstände als feststehende Tatsachen behauptet“, sagte Oberstaatsanwalt Koray Freudenberg der Deutschen Presseagentur (dpa). Die Ermittlungen vollständig abzuwarten, sei jetzt wichtig. Mit Abschluss soll sich auch die Frage klären, welche Beamten wie oft geschossen haben.


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Laut Obduktionsergebnis drangen insgesamt acht Kugeln in den Körper des 46-jährigen Touray ein. Dabei habe jeweils ein Projektil die Leber und das Herz getroffen, letzterer Treffer habe den Tod verursacht, sagte Freudenberg. „Da bisher nicht feststeht, wer wann und wie oft geschossen hat, wird ein Ermittlungsverfahren gegen 14 Beamte geführt, die als Schützen in Betracht kommen.“

In dem Fall von Lamin Touray geht es jetzt um die Frage der Verhältnismäßigkeit. Mussten die Beamten in der Situation überhaupt schießen? Und dann auch noch acht Mal binnen kürzester Zeit? Gerade, wenn sich der Mann in einer psychischen Ausnahmesituation befunden haben soll? Diese Fragen gilt es jetzt zu klären. (mit dpa)