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Volkssport Grünen-Bashing: NRW-Parteichef wehrt sich – „Tor zur Hölle“

Grünen-NRW-Chef Tim Achtermeyer macht sich in den sozialen Netzwerken gegen Fake News stark. Was treibt ihn an?

© BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN NRW

Habeck sieht den Rechtsstaat in Gefahr

Vor dem Hintergrund der Bauern-Proteste warnt Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) vor einer Zersetzung der Demokratie und des Rechtsstaates. "Wenn an Traktoren Galgen hängen, dann ist eine Grenze überschritten", sagte Habeck in einem Internet-Video. Die Gesellschaft dürfe den Platz nicht "den Verfassungsfeinden überlassen".

Grünen-Bashing ist mittlerweile zum Volkssport geworden – immer wieder schlägt der Partei und grünen Politikern Hass und Hetze entgegen. Vor allem in den sozialen Netzwerken wird gegen die Grünen gehetzt.

Der Landesvorsitzende der Grünen in NRW, Tim Achtermeyer, will genau das ändern. Er geht gegen Fake News und Vorurteile in den sozialen Netzwerken vor – dabei nimmt er kein Blatt vor den Mund. Auf den sozialen Netzwerken geht er nicht nur gegen das Buhmann-Image der Grünen vor, sondern beschäftigt sich vor allem mit einem anderen Thema: der AfD.

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Was ihn dazu motiviert hat und was er selbst falsch gemacht hat, erklärt Tim Achtermeyer im Interview mit der Redaktion.

„Dürfen Populisten den Raum nicht überlassen

Herr Achtermeyer, was motiviert Sie in den sozialen Netzwerken über Fake News aufzuklären?

Tim Achtermeyer: Die demokratischen Parteien haben die sozialen Netzwerke lange Zeit sträflich vernachlässigt. Dadurch ist ein Raum entstanden, den die AfD und die Populisten für sich genutzt haben. Wir dürfen Rechtsextremen und Populisten diesen öffentlichen Raum nicht einfach überlassen. Und deshalb muss man dort präsent sein und die falschen Aussagen, die von der AfD verbreitet werden, widerlegen.

Gab es einen Schlüsselmoment, der Sie dazu bewogen hat?

Mich hat schon massiv gestört, dass sich die AfD immer als die Partei der kleinen Leute inszeniert. Zum Beispiel auch in den vergangenen Wochen bei den Bauernprotesten. Dabei ist es doch die AfD, die Subventionen im Agrarbereich auf null kürzen will und eine Sozialpolitik unterm Gefrierpunkt hat. Ich finde, wir dürfen der AfD die Behauptung nicht durchgehen lassen, sie würde sich für die Menschen einsetzen.

Die AfD hat in den sozialen Netzwerken eine hohe Reichweite. Können Sie sich das erklären?

Erstens macht die AfD keine inhaltliche Arbeit: Es gibt von der AfD keine Konzepte, keine Programmatik, nichts. Das heißt, die ganzen Ressourcen der AfD gehen ungefiltert in die sozialen Netzwerke. Das ganze Personal der AfD arbeitet quasi nur für die sozialen Medien und das ist einfach eine Ressourcenmacht, gegen die die demokratischen Parteien nur schwer ankommen. Denn demokratische Parteien setzen ihre Ressourcen vor allem für Inhalte ein. Und zweitens arbeitet die AfD mit einem Populismus, der vom Algorithmus der Sozialen Medien belohnt und verbreitet wird.

„Es gibt Leute die sind müde, die haben keine Lust auf Veränderung“

Gerade den Grünen schlägt derzeit viel Hass entgegen – man spricht in diesem Zusammenhang auch vom „Grünen-Bashing“. Würden Sie sagen, dass dies durch die sozialen Netzwerke befeuert wird?

Es wird durch die sozialen Medien verstärkt. Soziale Medien verstärken Trends und Narrative und schüren Empörung. Aber die Gründe liegen natürlich tiefer. Die Grünen sind eine Partei, die für progressive Veränderungen steht. Und es gibt Leute, die sind müde, die haben keine Lust auf Veränderung. Das verstehe ich sogar. Im Kern sagen die Populisten: „Ihr müsst nur den guten Onkel wählen, dann brauchen wir diese Veränderungen nicht, dann wird alles wieder so schön wie früher.“ Das ist natürlich Quatsch. Der Stillstand hat uns in diese schwierige volkswirtschaftliche Lage geführt. Diese Mischung aus Veränderungsmüdigkeit und Populismus, ist dann eben ein toxischer Cocktail, der in einem harten Grünen-Bashing endet.

Grünen-Landeschef über Reaktionen

Welche Reaktionen erhalten Sie auf Ihre Präsenz in den sozialen Netzwerken?

Ich bekomme wirklich total ermutigende Rückmeldungen. Gestern Abend habe ich eine Nachricht bekommen, in der jemand gesagt hat: „Herr Achtermeyer, ich wähle zwar nicht die Grünen, aber Sie machen einen tollen Job.“ Das hat mich sehr gefreut. Denn es geht ja nicht darum, dass wir alle einer Meinung sind. Es geht darum, dass wir den Respekt vor der politischen Meinung des anderen wahren.

„Da geht teilweise das Tor zur Hölle auf“

Erleben Sie in den sozialen Medien auch Hass oder gar Beleidigungen?

Ja, das gehört leider dazu. Wenn man TikTok öffnet, geht da teilweise das Tor zur Hölle auf. Aber damit muss man umgehen und dagegen ankämpfen. Es bringt nichts, einfach die Augen zuzumachen und sich davor zu verschließen.

Gehen Sie bitte nochmal näher auf TikTok ein.

TikTok wurde von den demokratischen Parteien viel zu lange ignoriert. Und ich finde auch, dass man TikTok politisch hart regulieren muss, denn dort kursieren viel zu viel Hass und Fake-News. Aber wir können TikTok nicht den Nazis überlassen. Auch ich war zu spät auf TikTok, das muss ich selbstkritisch sagen. Aber jetzt muss man versuchen, das nachzuholen.

„Überlassen komplette Wählergruppe der AfD“

Würden Sie sagen, dass TikTok auch für die nächste Bundestagswahl relevant ist?

Die Ampel will das Wahlalter bei der nächsten Bundestagswahl auf 16 Jahre absenken. Die Erstwähler, die 2025 wählen dürften, wären dann heute 14 oder 15 Jahre alt. Und die sind mit TikTok sozialisiert. Das ist ihre Hauptinformationsquelle. Wenn wir demokratischen Parteien da nicht präsent sind, überlassen wir eine komplette Wählergruppe der AfD. Und das will ich nicht.



Sollten mehr Politiker und Politikerinnen präsenter in den sozialen Medien auftreten?

Ich finde, dass demokratische Parteien lernen müssen, wie soziale Netzwerke funktionieren. Dass sie eben nicht dazu da sind, einen Arbeitsnachweis für die eigenen Parteimitglieder zu hinterlegen. Demokratische Politikerinnen und Politiker müssen in den Diskurs einsteigen, um rechten Narrativen etwas entgegenzuhalten. Wir müssen uns als Demokraten gemeinsam gegen den Hass im Netz stellen und für unsere Positionen einstehen. Die AfD greift unsere demokratische Gesellschaft an. Genau diese vielfältige, bunte Gesellschaft wehrt sich dagegen, im Netz und auf der Straße. Das ist gut und auch dringend nötig.