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Hauptstadt-Insider enthüllt, was Kanzler Scholz an Habeck stört – „Ist ihm suspekt“

Kanzler Olaf Scholz und sein Vizekanzler Robert Habeck. In seinem neuen Buch macht Daniel Brössler klar, wieso sie so anders sind.

Scholz und Habeck - unterschiedliche Politikstile.
© IMAGO/Political-Moments

Habeck fordert mehr Waffen für die Ukraine

In einer Art Osteransprache hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) mehr Hilfe für die Ukraine gefordert. "Es wird vermutlich kein rasches, gutes Ende geben. Auch wenn wir uns anderes wünschen", sagte Habeck. "Wir müssen uns auf die Bedrohungslage einstellen. Alles andere wäre naiv."

Daniel Brössler ist als Leitender Redakteur im Parlamentsbüro der „Süddeutschen Zeitung“ ein Insider des politischen Berlin. Nun hat er frisch ein Buch veröffentlicht, das den Deutschen erklären soll, wie ihr Bundeskanzler inmitten all der großen Krisen regiert und warum er manchmal so undurchsichtig handelt. Eine der spannendesten Stellen von „Ein deutscher Kanzler. Olaf Scholz, der Krieg und die Angst“ (Propyläen Verlag, 319 Seiten, 25 Euro) schauen wir uns hier genauer an.

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Der Autor versucht, Scholz nahe zu kommen, sein Denken besonders vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges zu durchdringen und zu erklären. Das ist bei Scholz eine besondere Herausforderung, denn er ist ein Regierungschef, der sich ungern ausschweifend erklärt. Ganz anders als sein Vizekanzler Robert Habeck.

Habeck stiehlt Scholz die Show

Diese Diskrepanz zwischen den Politikstilen von Scholz und Habeck arbeitet Brössler in einem Kapitel seines Buches deutlich heraus.

Ein erhellendes Porträt eines Kanzlers in Krisenzeiten.
Ein erhellendes Porträt eines Kanzlers in Krisenzeiten. Foto: Ullstein Buchverlage

Nach dem Hamas-Terror in Israel im Oktober 2023 wendet sich Habeck mit einem neun Minuten langen Video ans Volk. Der Bundesminister erklärt, wieso die Sicherheit Israels deutsche Staatsräson ist. Dieses Vorgehen ist kein Einzelfall, sondern hat Methode. Immer wieder postet Habeck solche Clips über X (früher Twitter) und Facebook. Beispielsweise zuletzt an Ostern, mit Einordnungen, dass es echten Frieden nur in Freiheit geben kann. Hier spricht jemand über das Große und Ganze.

Der Wirtschaftsminister breitet seine Gedanken aus, hadert auch mal mit der Welt. Er stiehlt Scholz mit den reichweitenstarken Videos immer wieder die Show. In den Kommentaren heißt es dann von Habeck-Fans: „Sie wären der bessere Bundeskanzler“, „Sie sind der wahre Kanzler“ oder „Habeck macht Scholz‘ Job“.

Brössler schreibt in seinem Buch über Habecks damaligen Clip über Israel: „Das Video löst ein enormes Echo aus und wird mehr als eine Million Mal aufgerufen. Das ist die Rede, sagen nicht wenige, die eigentlich der Bundeskanzler hätte halten müssen.“

„Es liegt ihm fern, die Menschen an seinem Nachdenken teilhaben zu lassen“

Setzt diese offene Kommunikation des Grünen den Regierungschef unter Druck? „Olaf Scholz erkennt das kommunikative Talent seines Vizekanzlers an“, so der Hauptstadt-Kenner. Jedoch könne der SPD-Politiker mit diesen Ansatz nichts anfangen: „Habecks Vorstellung aber, zum guten Regieren gehöre auch der öffentlich vorgetragene Selbstzweifel, ist ihm suspekt.“

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Der Journalist und Buchautor analysiert den Unterschied zwischen den beiden: „Scholz möchte nichts offenlegen, schon gar nicht sein Innerstes. Es liegt ihm fern, die Menschen an seinem Nachdenken teilhaben zu lassen. Das öffentliche Sprechen erfüllt für ihn eine andere Funktion als für seinen Vizekanzler. Für Scholz ist das Reden nicht Teil des eigentlichen Regierens. Das findet nach seiner Auffassung in seinem Amtszimmer und in Konferenzräumen statt, nicht auf Bühnen. Am liebsten würde Scholz nur sprechen, wenn er etwas zu verkünden hat.“

Der Kanzler will unkonkret bleiben, aber „desto abgehobener klingt er auch“

Da sei Olaf Scholz auf einer Linie mit seinem Kanzleramtschef und Vertrauten Wolfgang Schmidt, der gerne Otto von Bismarck zitiert. Der frühere Reichskanzler meinte: „Gesetze sind wie Würste. Man sollte besser nicht dabei sein, wenn sie gemacht werden.“ Zu viel Transparenz sei also nichts, was man anstreben sollte. „Scholz sieht das ähnlich“, so Brössler.

Ein zu offenherzige Kommunikationsstil ist für Scholz ein Hindernis in der Zusammenarbeit der Ampel. „Er findet, dass seine Koalitionäre eher zu viel als zu wenig reden – zumal jede öffentliche Festlegung, die ohnehin komplizierte Suche nach Kompromissen erschwert“, heißt es weiter im Buch. Der Autor leitet daraus eines der größten Probleme des Kanzlers ab, der kommunikativ gegen diesen Strom schwimmt: „Je unkonkreter Scholz bleibt, desto abgehobener, paternalistischer klingt er auch.“


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Das Aufeinandertreffen der beiden Kommunikationsstile dürfe bei der Bundestagswahl 2025 spannend werden, wenn Habeck voraussichtlich als Kanzlerkandidat der Grünen in den Ring steigen wird..