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Rassismus in der Schule – wie rechte Parolen im Klassenzimmer landen

Was passiert, wenn Kinder zu Hause Rassismus hören – und ihn in der Schule wiederholen? Ein Lehrer erklärt, wie er damit umgeht.

„Hier wird nur Deutsch gesprochen!“ – Wie Kinder Rassismus vom Küchentisch in die Schule tragen. Ein Interview mit dem Lehrer und Content Creator Emmanuel Krüss.
© imago images/Westend61

Reden wir drüber: Grundschullehrer Emmanuel Krüss über Rassismus

Die politische Lage ist angespannt, Fronten verhärten sich. Schreckliche Anschläge zu Ende des letzten Jahres erhöhten den Generalverdacht gegenüber Menschen mit Migrationshintergrund. Rechtsextremistische Straftaten steigen weiter an, und die AfD wirbt offen mit der Remigration, wobei, je nach Lager, oft mitschwingt, dass es hierbei nicht nur um Geflüchtete ohne deutschen Pass geht. All das geht nicht spurlos an jungen Menschen vorbei.

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Die letzten Wahlergebnisse unter den 18- bis 24-Jährigen zeigen ein Auseinanderklaffen nach links und rechts, die politische Mitte scheint nicht mehr attraktiv. Am 21. Juni wurde ein 15-Jähriger mit brasilianischem Migrationshintergrund von einer 19-Jährigen mit einem Messer getötet. Die Polizei prüft einen „fremdenfeindlichen Hintergrund“ als Motiv.

Remigration, Rassismus, Radikalisierung – Was ist los mit unserer Jugend?

Wie kommt es zu solchen Eskalationen? Ist Rassismus als gesamtgesellschaftliches Problem auch schon unter den Kleinsten ein Thema? Und wie sollte man damit umgehen? Emmanuel Krüss ist Grundschullehrer und Content Creator und schildert unserer Redaktion seine Erfahrungen.

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„Bei Kindern ist es so, dass sie oft das wiedergeben, was sie aus ihrem häuslichen Umfeld kennen.“ So höre er von Schülern gelegentlich merkwürdige Wörter oder Aussagen. „Ich erinnere mich an eine Geschichte, in der mir gesagt wurde, ich solle im Unterricht kein Englisch sprechen, weil hier nur Deutsch gesprochen werde. Da dachte ich mir direkt: Das hat sich das Kind bestimmt nicht selbst ausgedacht. Man erkennt genau, woher das kommt“, erzählt Krüss.


Emmanuel Krüss ist Lehrer und klärt unter seinem Künstlernamen "emulution" im Netz über den Schulalltag auf.
Emmanuel Krüss ist Lehrer und klärt unter seinem Künstlernamen „emulution“ im Netz über den Schulalltag auf. Foto: Emmanuel Krüss

Grundschullehrer packt aus: „Manche Kinder sind aufgeklärter als Erwachsene!“

Der Hamburger Grundschullehrer berichtet: „An meinem Standort ist das eher subtil, weil es eine sehr diverse Schule ist.“ Wenn ihm rassistische Aussagen unter Kindern begegnen, erzählt Krüss, seien die meist offen für Aufklärung und verstünden vieles. „Ich bin oft positiv überrascht, wie aufgeklärt sie schon sind. Manchmal korrigieren sie sogar mich in bestimmten Dingen.“


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Der Pädagoge erklärt: „Beim Thema Rassismus braucht es Sensibilität, auch von Betroffenen. Ich versuche, mit Geduld und Verständnis zu reagieren, damit Menschen Fehler machen und daraus lernen können.“ Nur so wachsen Menschen, findet Krüss. „Anders wäre es schwer. Viele haben Angst, etwas Falsches zu sagen, und sagen dann lieber gar nichts. Aber das möchte ich nicht.“

Rassismus im Schulbuch – Warum unsere Lehrpläne ein Problem haben

Dennoch sei dieser verständnisvolle Umgang auch nicht immer zu gewährleisten. „Ich kenne auch extremere Beispiele, etwa aus meiner eigenen Schulzeit. Im Geschichtsunterricht, besonders beim Thema Kolonialismus, fiel öfter das N-Wort.“ Auch in alten Materialien wie Flex und Flora stand bei dem Buchstaben „i“ noch ein Begriff für indigene Menschen, den man heute nicht mehr verwendet. „Ich habe das Gefühl, es besteht noch Aktualisierungsbedarf. Auch wenn es nicht mehr so extrem ist, ist es teilweise noch spürbar.“


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Nicht nur im Umgang mit Kindern, sondern auch in der Auswahl und Formulierung der Unterrichtsmaterialien liege also großes Potenzial, Kinder über Rassismus aufzuklären und dagegen zu stärken. „Ich denke, man könnte kommende Generationen besser abholen, wenn man solche Themen im Curriculum verankert. Ob man es nun Gesellschaftskunde nennt oder anders – Hauptsache, man lernt: Es gibt unterschiedliche Bevölkerungsgruppen mit unterschiedlichen Herausforderungen. Und so kann man ihnen helfen.“