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Frauen-EM 2025: Claudia Neumann mit heftiger DFB-Kritik – „Verschlafen“

Die Frauen-EM 2025 steht vor der Tür, auch Deutschland ist mit dabei. ZDF-Kommentatorin Claudia Neumann spricht im Interview über die deutschen Chancen.

© IMAGO/Ulrich Wagner

Claudia Neumann: Pionierin am Mikrofon – Ihr Weg im Sportjournalismus

Die Frauen-EM 2025 ist gestartet. Das Eröffnungsspiel zwischen dem Gastgeberland Schweiz und Norwegen ist bereits Geschichte, am Freitag (4. Juli) greifen auch die deutschen Frauen ein erstes Mal ins Turniergeschehen ein.

Mit dabei ist auch Claudia Neumann. Die Kommentatorin wird für das ZDF am Mikrofon zu hören sein und die DFB-Elf bei der Frauen-EM 2025 begleiten. Im Interview mit dieser Reaktion hat sie über die deutschen Chancen in diesem Sommer gesprochen – und dabei deutlich gemacht: Großen Grund zum Optimismus gibt es nicht.

Claudia Neumann gespannt vor Frauen-EM 2025

DER WESTEN: Frau Neumann, Sie sind seit 2011 beim ZDF zu hören, erlebten den letzten EM-Sieg der Frauen 2013 live am Mikrofon mit. Was macht sie optimistisch, dass es diesen Sommer erneut mit ein EM-Titel klappen könnte? 

Claudia Neumann: Sehe ich so optimistisch aus? (lacht) Naja, also ich bin grundsätzlich immer erstmal optimistisch. Aber ansonsten muss ich wirklich dieses Klischee der Wundertüte bedienen. Das kann ich nicht anders sagen nach den Eindrücken der letzten Jahre und Monate – auch nach dem Trainerwechsel. Ich glaube schon, dass da ausreichend Potenzial ist, auch wenn man vielleicht die ein oder andere fußballerische Entwicklung verschlafen hat, wie ich finde. Aber es sind so ein paar Dinge, die einfach noch nicht gefestigt sind. Das merkt man immer dann, wenn der Gegner einen guten Matchplan hat. Das hat es früher so nicht gegeben. Das hatte natürlich auch damit zu tun, dass die Leistungsdichte geringer war. Das ist Gott sei Dank ja nicht mehr der Fall, weil die Spitze in der Breite zugelegt hat. Also bei der deutschen Mannschaft ist alles drin. Ich kann sogar nicht ausschließen, dass in der Gruppe was anbrennt. Schweden und Dänemark sind keine Laufkundschaft. Aber es ist genauso das Finale drin. Wenn die vor allem vorne die Dinge ins Laufen kommen, ist da schon was möglich.


Wird bei der Frauen-EM-2024 erneut im ZDF zu hören sein: Claudia Neumann. Foto: IMAGO/Ulrich Wagner Foto: IMAGO/Ulrich Wagner

Christian Wück hat im letzten Sommer übernommen, nachdem Horst Hrubesch zuvor bei Olympia Bronze geholt hat. Erhöht das den Druck für Wück, bei seinem ersten großen Turnier liefern zu müssen? 

Weiß ich nicht. Also sind wir ehrlich, das Olympia-Turnier hatte kein gutes Niveau. Auch die deutsche Mannschaft hat nicht restlos überzeugt. Ich finde schon, dass die Bronzemedaille absolut verdient war, aber man hat trotzdem in den letzten Jahrzehnten gesehen, dass Olympia qualitätsmäßig ein bisschen absinkt gegenüber der EM und WM. Das soll den Erfolg der Bronzemedaille gar nicht schmälern. Horst Hrubesch hat in einer Phase übernommen, wo man sich nicht so richtig schlüssig war, wie man sich weiterentwickeln will. Und dann hat man, würde ich jetzt mal so einschätzen, gesagt: „Okay, dann lassen wir uns lieber Zeit mit der Entscheidung und gönnen dem Horst noch eine Olympiateilnahme.“ Am Ende hat er das zumindest auf einer Ebene stabilisiert, auf der sich alle wieder wohler fühlen nach diesem ganzen Knatsch, der da offensichtlich in Australien entstanden ist. Aber ich finde nicht, dass es da eine Weiterentwicklung gegeben hat. Weder in der fußballerischen Spielidee noch in der Weiterentwicklung einzelner Spielerinnen. Man könnte auch sagen, es war vielleicht ein verlorenes Jahr. Aber Christian Wück hat erst dieses knappe Jahr gehabt, um was zu entwickeln. Er ist zum ersten Mal im Frauenfußball. Ich habe einen guten Eindruck von ihm. Ich sehe aber auch die Probleme, die es gibt, nicht so schnell zu beheben. Man muss da ja auch gerade in der Defensive erstmal Kandidatinnen finden. Dann kommen die Verletzungen hinzu, dazu der enge Terminkalender. Das ist nicht so einfach in den wenigen Spielen, die man hat.

Das ZDF überträgt bei dieser EM das Finale. Führt da ein Weg als Kommentatorin an Ihnen vorbei und würde sich damit in gewisser Weise ein Traum für Sie erfüllen? Schließlich haben Sie schon andere große Finals kommentiert. Wäre das ein weiterer Meilenstein in Ihrer Karriere? 

In diesen Dimensionen denke ich schon lange nicht mehr. Ich bin immer noch in der Lage, wahnsinnig viel Leidenschaft zu entwickeln, wenn sich die Dinge in die richtige Richtung entwickeln. Ich habe eine unfassbare Leidenschaft für Sport und für die Hingabe, die die Athleten leisten. Das ist bei jeder Sportart der Fall, die ich betreue – und das ist in den letzten Jahren ausschließlich Fußball gewesen. (lacht) Ich empfinde da immer wieder tolle Momente. Ich glaube, das ist so im Gen derer drin, die den Sport lieben und ihn so lange begleiten. Von daher ist mein eigenes Schaffen für mich nicht mehr das ausschlaggebende Faktum. Ich habe alles gemacht, was ich je machen wollte und das sehr ausreichend.


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In den vergangenen Jahren fanden die Großturniere der Frauen immer dann statt, wenn zeitgleich keine anderen Männerturniere stattfanden. Jetzt hat sich die FIFA jedoch dazu entschieden, parallel zur Frauen-EM die Klub-WM zu veranstalten, die den Frauen eine Menge Aufmerksamkeit klauen könnte. Ist das nicht fast schon respektlos gegenüber den Frauen? 

Man kann sehr schnell auf diese Conclusio kommen. Ich sehe ein allgemeineres Problem: Die Masse der Turniere, die Masse der Veranstaltungen, die nur zur weiteren Gewinnoptimierung dienen sollen. Das finde ich persönlich nicht nur verwerflich, ich finde das falsch. Das geht ja nicht nur physisch, sondern auch mental irgendwann an Grenzen. Und trotzdem setzt sich da niemand durch, weil sie natürlich alle davon profitieren. Es gibt mittlerweile auch bei den Männern Parallelturniere. Das lässt sich ja gar nicht mehr vermeiden, wenn man immer weiter die Kuh melkt. Ich weiß nicht, ob das jetzt respektlos den Frauen gegenüber sein soll. Ich glaube, dass die Frauen-EM davon gar nicht so sehr tangiert wird. Die Stadien sind schon sehr, sehr gut ausgebucht. Da geht es Richtung Rekordzahlen. Und ich glaube auch, dass wir, weil es in der gleichen Zeitzone liegt, im Vergleich zur letzten Frauen-WM zufriedenstellende Quoten haben werden.

Klub-WM? „Also mich interessiert sie null“

Wie stehen Sie denn zur neu eingeführten Klub-WM?

Also mich interessiert sie null. Ich würde sie mir auch nicht angucken, wenn ich einen freien Sommer hätte. Ich habe auch noch nicht ein einziges Spiel von der Conference League gesehen. Das ist mir alles viel zu viel. Ich brauche das nicht. Und wer es braucht, meinetwegen. Irgendwann spielt der siebzehnte Absteiger auch noch europäisch. Das ist mir alles viel zu aufgeblasen. Ich würde jetzt auch nicht versuchen wollen, diese Entwicklung als respektlos gegenüber dem Frauenfußball zu bezeichnen, sondern als eine generelle Entwicklung, die für mich nicht nur bedenklich, sondern irgendwann auch bedrohlich ist – bedrohlich im Sinne der Gesundheit der Athleten. 

Nun kam es in der Vergangenheit immer wieder zu negativen Kommentaren gegenüber Ihrer Person in den sozialen Medien, zum Beispiel in Zuge des Champions-League-Finals 2023. Wie sieht das bei Frauenturnieren aus? Können Sie da in Ruhe arbeiten, weil weniger Aufmerksamkeit auf Sie gerichtet ist?

Ganz ehrlich, ich befasse mich damit überhaupt nicht. Das macht keinen Sinn. Dinge, die man nicht verändern kann, muss man irgendwann annehmen und gar nicht mehr erklären. Ich habe in den letzten Jahren immer versucht, das vernünftig zu erklären. Und nochmal: Jeder, der irgendwo öffentlich arbeitet, wird in dieser Gesellschaftsphase, in diesen Kommunikationsformen irgendwie mal behelligt werden. Ich glaube, wir geben den Menschen viel zu viel Aufmerksamkeit. Ich werde mich da nicht mehr mit beschäftigen, weil ich alles irgendwann dann auch mal verstanden und den Deckel drauf gemacht habe. Ob Frauen- oder Männerturnier. Es interessiert mich auch nicht, wenn ich ehrlich bin.


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Ein Vorgriff auf die nächsten Jahre: In der Vergangenheit zeigte das ZDF immer wieder Fußball-Spiele im Free-TV, zum Beispiel eben in Zuge der großen Frauen-Turniere. Jetzt hat der Sender überraschend die TV-Rechte des DFB-Pokals an RTL verloren. Wie bewerten Sie das? 

Naja, da bin ich nicht die erste Ansprechpartnerin. Da gibt es ganz andere Kollegen, die sich mit dem Sportrechte-Markt befassen. Der ist in den letzten 10 Jahren immer umkämpfter geworden. Deswegen lässt sich ja auch so viel Geld für Diejenigen, die den Sport anbieten, generieren. Es gibt so viele Anbieter neben den normalen TV-Sendern. Das sind reine private Wirtschaftsunternehmen, die auf den Markt gehen und da ein Business sehen. Und das ist immer umkämpfter. Wir beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk müssen natürlich zusehen, was wir verantworten können, wie viel Geld wir für diese Dinge ausgeben. Ich persönlich sehe das als normale Entwicklung der Zeit. 

Also hat Sie diese Entscheidung insofern auch nicht überrascht?

Nein, nein. Mich überrascht gar nichts in diesem Sektor.

Und wie groß ist Ihre Hoffnung, dass in dieser Causa das letzte Wort vielleicht noch nicht gesprochen ist? Schließlich könnten Sie auch davon profitieren. Wenn das ZDF doch noch die Rechte behalten sollte, könnten Sie weiter DFB-Pokalspiele kommentieren. Oder sagen Sie, das Ding ist gelaufen?

Ich möchte meine Perspektive nicht in den Vordergrund schieben. Meine Perspektive ist völlig irrelevant. Für mich ist das definitiv kein Thema. Ich denke da eher an die jungen Kollegen, wie sehr sich der Beruf verändert. Also zu unserer Zeit, als wir angefangen haben, war es noch ein komplett anderer Beruf. Heute ist es deutlich mehr Entertainment geworden – und weniger Journalismus. Das sage ich völlig wertfrei. Da gibt es natürlich mit Sicherheit junge Kollegen, die das auch ein bisschen bedauern, weil sie sich eher als Journalisten sehen und nicht nur als Entertainmentberichterstatter. Aber für mich ist das nicht mehr relevant. Wir werden es abwarten müssen.