Sommer, Sonne, Meer. Für die meisten deutschen Urlauber geht es mit dem Flugzeug in den Süden oder mit dem Auto an die Nord- oder Ostsee. Hotels, Ferienwohnungen oder Campingplätze – die Wege dorthin sind bekannt und vertraut. Auch zwei junge Männer aus Wolfsburg haben Sehnsucht nach Meer.
Ihr Ziel: Die Nordseeinsel Sylt. Doch ihre Anreise verläuft ganz anders als gewöhnlich. Kein Auto, kein Flugzeug und auch kein Zug bringt sie dorthin. Stattdessen entscheiden sie sich für eine Reise, die abenteuerlicher wohl kaum sein könnte.
Alles beginnt in Wolfsburg
Die beiden Abenteurer heißen Timo (24) und Felix (22). Beide sind Informatiker und bei einem IT-Dienstleister von Volkswagen in Wolfsburg angestellt. Ganz nach dem Motto: Kollegen im Büro, Freunde in der Freizeit. „Wir kommen aus Wolfsburg, dementsprechend arbeiten wir natürlich irgendwo im Rahmen von Volkswagen“, erklärt Timo im Gespräch mit News38 . Doch während andere nach Feierabend abschalten, schrauben die beiden an Fahrzeugen, basteln und tüfteln gemeinsam an Projekten. Die Idee dieser außergewöhnlichen Reise entsteht auf einem Festival. Im Jahr zuvor haben sie dort weite Wege zu Fuß oder mit Longboard zurücklegen müssen. Danach war den beiden klar: Beim nächsten Mal soll ein Fahrzeug für die langen Wege her. Gesagt, getan: Timo findet ein Kart im Internet. Nur kurze Zeit später kauft er gleich noch eines. Der Zustand? Fast so außergewöhnlich wie die Reise selber. Es war zwar defekt, aber reparierbar. Die Werkstatt, die sie gemeinsam nutzen, macht eine Reparatur aber möglich.
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Irgendwann kam dann das Gespräch über Sylt. Inspiriert von der 9-Euro-Ticket-Welle, als junge Leute die Insel stürmten, entsteht der Plan. „Naja, das könnten wir doch eigentlich auch machen (…). Und das ist glaube ich eine realistische coole Strecke“, erklären die beiden. Einsteigen, losfahren und das Meer genießen? Ganz so einfach war es dann aber doch nicht. Die Karts müssen erstmal umgebaut werden. Denn: Stauraum war – anders als bei einem geräumigen Kofferraum, wie man ihn von Autos kennt – kaum vorhanden. Also haben die beiden die Seitenteile der Karts zu Kofferräumen umgebaut. „Wir haben an die Seitenkästen so Klappen ranggebaut, die eigentlich hätten wasserdicht sein sollen“. Wasserdicht waren sie im Endeffekt nicht. Doch es reicht, erklären die beiden im Gespräch gegenüber News38. Ihr Zelt kaufen sie gebraucht für zehn Euro. Schlafsäcke, Isomatten und ein geliehener Gaskocher kommen auch noch dazu. Die Ausrüstung? Zusammengewürfelt und auf das Mindeste begrenzt, aber zweckmäßig. Ihre Reise begleiten die beiden übrigens mit der Kamera für ihren YouTube und Instagram Account.
Die Reise nach Sylt startet
Und was sagen Freunde und Familien zu der außergewöhnlichen Reise? Die Reaktionen im Umfeld waren gemischt. „Ein guter Kumpel von uns und auch Arbeitskollege, der hat bis zum Ende gesagt, ihr macht das nicht, ihr seid doch irre“. Die Freundin von Timo nahm es nüchtern: „Wenn du dir was in den Kopf setzt, dann bringt es eh nichts zu diskutieren“, erzählt er. Am 14. Juli war es dann soweit. Zwei kleine Karts rollen durch Wolfsburg – direkt in Richtung Sylt. Drei Tage Hinfahrt, zwei Tage Rückfahrt. Am 19. Juli – fünf Tage später stand ein Geburtstag eines Freundes auf dem Plan. Auf diesem sollte die Tour auch beendet werden. „Genau am 19. Juli um 16 Uhr bei unserem Kumpel mit dem ganzen Setup auf den Hof rollen“, lautet der Plan der beiden. Auf Campingplätzen haben sie ihre Zelte aufgeschlagen. Fremde Menschen kommen vorbei und staunen über das ungewöhnliche Gespann.
Nach drei Tagen erreichten sie den Autozug. Von dort ging es auf die Insel. Endlich Sylt, endlich Meer, endlich am Ziel. Doch „einfach nur ankommen“ reicht den beiden nicht. Sie wollen auffallen. Also schlüpfen sie in Hemd, Fliege und Krawatte. Mitten in Westerland rollen sie im feinen Zwirn durch die Straßen. „Wir wollten uns ja auch standesgemäß auf Sylt fortbewegen und sind dann im Hemd über die Insel gefahren, und haben dann da auf einem Parkplatz in den Karts mit Hemd Döner gegessen“. Touristen zeigten den beiden Fahrern Daumen hoch, Schulklassen jubelten und Anwohner blickten neugierig aus ihren Fenstern.

Chaos auf der Rückfahrt
Doch dann wartet auf die beiden Abenteurer die Rückfahrt. Die beginnt gleich einmal mit einer Panne. Nur mit Glück schafften sie es zurück in eine Werkstatt. 18 Kilometer vor dem Ziel – einem Campingplatz bei Kiel – der nächste Schock. „Motor nimmt kein Gas mehr an“, funkt Felix zu seinem Freund. Auf der Landstraße standen sie still.
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Im Dunkeln, ohne Licht, haben sie angefangen zu schrauben. Dann hält ein Transporterfahrer an. Er hat zwar kaum Deutsch gesprochen, doch er kann helfen, erzählen die beiden. Das defekte Kart kam auf die Ladefläche – zwischen Bauschutt und Werkzeug. Die Fahrt wurde zum Abenteuer im Abenteuer. Dunkelheit, Nebel, schlechte Sicht. Nur zehn Meter reichen die Scheinwerfer. Am Ende erreichen beide den Campingplatz – erschöpft, aber sicher. Einen Tag später rollen sie zurück nach Wolfsburg. Der Plan war aufgegangen. Trotz aller Widrigkeiten haben sie es geschafft. Von der Autostadt an die Nordsee und wieder zurück – auf zwei Karts.




