Veröffentlicht inWolfenbüttel

Wolfenbüttel: Kind hat Fieber – dann geht die Tortur los! „Hat mich dermaßen schockiert“

Eine Mutter aus Wolfenbüttel suchte schnelle Hilfe: Ihr Kind hatte Fieber und erbrach sich. Doch für die Frau und das kleine Mädchen ging eine wahre Tortur los…

Wolfenbüttel Mutter und Tochter stehen im Wald
Weil die fünfjährige Sophia unter Fieber und Übelkeit litt, suchte Mutter Kristin nach ärztlicher Hilfe. Foto: Privat

Es ist wohl der Albtraum aller Eltern: Das Kind ist krank und schnelle Hilfe ist nicht in Sicht. Einer Mutter aus Wolfenbüttel ist jetzt genau das passiert.

Die 33-jährige Kristin ist alleinerziehende Mutter – ihre fünfjährige Tochter Sophia ist am Sonntag (16. Oktober) plötzlich krank geworden: Fieber und Übelkeit plagten das kleine Mädchen. Die 33-Jährige griff also zum Telefon und wählte die Hotline der Kassenärztlichen Vereinigung (KVN). Doch dann ging für Mutter und Tochter aus Wolfenbüttel die Tortur los.

Die Mutter verschaffte ihrem Ärger auf Facebook Luft – und das Thema schlug hohe Wellen: Sogar Wolfenbüttels Bürgermeister hat sich mittlerweile zu dem Thema geäußert.

Wolfenbüttel ohne Kinder-Bereitschaftsdienst

„Sophia war kreideweiß, es ging ihr so schlecht“, erzählt die 33-jährige Mutter aus Wolfenbüttel im Gespräch mit News38. Der Schock sitzt der Frau noch hörbar in den Knochen. Als Kristin am Sonntag zum Telefon griff und die 116117 wählte, hoffte sie auf schnelle Hilfe. Doch die kommenden zweieinhalb Stunden sollten für Mutter und Tochter zur Geduldsprobe werden.

Nachdem Kristin ungefähr 25 Minuten in der Warteschleife hing, sagte ihr ein KVN-Mitarbeiter: Der Kinder-Bereitschaftsdienst sei in Salzgitter-Salder. Schon diese Info sei laut Kristin falsch gewesen. Durch Zufall wusste sie, dass der nur in Lebenstedt sein kann. Also setzte sie sich in ihr Auto und machte sich von Wolfenbüttel auf den Weg in die Helios Klinik nach Salzgitter. Nach 20 Minuten Fahrt konnte der kleinen Sophia schnell geholfen werden – „die Organisation war super.“

Zunächst stand der Verdacht auf Scharlach im Raum – doch der konnte schnell ausgeräumt werden. In der Klinik bekam das kranke Kind dann ein Antibiotikum verschrieben. Also machte sich Kristin auf den Weg zur Notfall-Apotheke in Groß Denkte. Doch hier dann die Hiobsbotschaft: Das Antibiotikum ist ausverkauft. Erst in Braunschweig hatte sie dann Glück und bekam das Medikament. „Das hat mich so dermaßen schockiert, wie das alles abgelaufen ist“, erzählt sie weiter.

Mutter aus Wolfenbüttel ist stundenlang unterwegs

Zweieinhalb Stunden sei die Mutter mit ihrer kranken Tochter insgesamt am Sonntag unterwegs gewesen: „Mein Kind hat mir so leid getan.“ Für die 33-Jährige stellen sich einige Fragen nach ihrem Marathon: Wie sollen Eltern ohne Auto solche Wege auf sich nehmen? Vor allem Alleinerziehende? Im Falle eines Unfalls oder Stau gehe wichtige Zeit verloren, Kristin macht sich große Sorgen: „Ich meine, irgendwann wird vielleicht – mal ganz drastisch gesagt – mein Kind sterben, weil es nicht so schnell versorgt werden kann.“

Wolfenbüttel Mutter und Tochter stehen im Wald
Weil die fünfjährige Sophia unter Fieber und Übelkeit litt, suchte Mutter Kristin nach ärztlicher Hilfe. Foto: Privat

Ihre Forderung: Eine eigene Kinder-Bereitschaftspraxis in Wolfenbüttel. „Wie sollen die Leute ohne Auto denn nach Salzgitter kommen und vom Dorf aus Salzgitter nach Wolfenbüttel? Da fährt kein Bus und ein Taxi kann sich kaum einer leisten. Also ich verstehe die ganze Organisation nicht.“ Und der Rettungswagen solle eigentlich nur im Notfall alarmiert werden.

Bereitschaftsdienst in Wolfenbüttel? DAS sagt die KVN

„Es ist ausgeschlossen, in jeder Stadt/Kleinstadt einen kinderärztlichen Bereitschaftsdienst vorzuhalten“, wie ein KVN-Sprecher auf Nachfrage von News38 erklärt. Der Grund: Fachkräftemangel. „Die meisten Kinderärzte wären dann fast jedes Wochenende noch zusätzlich zu ihrem regulären Praxisbetrieb mit Bereitschaftsdiensten belastet“, heißt es weiter.


Auch interessant: Wolfenbüttel: Knochen gefunden! Polizei nennt erste Details


Damit Ärzte durch die Bereitschaftsdienste nicht zu sehr belastet werden, seien die Dienste sowohl für Erwachsene als auch für Kinder an ausgewählten Orten gesetzt worden. „Das führt dann dazu, dass im Einzelfall Eltern mit ihren Kindern auch längere Strecken zurücklegen müssen“, wie es weiter heißt. Zu dem Fall von Kristin aus Wolfenbüttel spricht der Sprecher von „einer Zusammenballung unglücklicher Umstände“.

Wie es zu der „mehrstündige Irrfahrt“ kommen konnte, kann der Sprecher nicht ganz nachvollziehen. An dem Sonntag hätte es für Kristin und ihre Tochter nämlich noch eine andere Möglichkeit gegeben. „In Wolfenbüttel hat an den Wochenenden eine allgemeinmedizinische Bereitschaftsdienstpraxis am Städtischen Klinikum geöffnet“, wie er erklärt. Bei allgemeinen Symptomen, wie Fieber und Erbrechen würden hier auch Kinder behandelt. Das Problem hierbei: die 33-jährige Kristin hatte extra die Hotline der KVN angerufen – und dort verwies man sie nach Nennung ihres Wohnortes direkt nach Salzgitter.

Liegt dort nicht der Fehler bei dem Mitarbeiter? Das hält der KVN-Sprecher für unwahrscheinlich: „Unsere Mitarbeiter bei der 116117 bekommen bei telefonischen Anfragen die verfügbaren Praxen in der Nähe des Anrufers am Monitor eingespiegelt und lesen das vor. Falschauskünfte in Bezug auf die Adresse sind daher eher unwahrscheinlich.“ Es könne aber sein, dass Salzgitter an erster Stelle stand und der Hotline-Mitarbeiter den Eindruck hatte, dass nur dieser Bereitschaftsdienst zur Verfügung stehe.

Thema schlägt hohe Wellen – Wolfenbüttels Bürgermeister meldet sich zu Wort

Über 130 Nutzer haben mittlerweile unter dem Facebook-Beitrag von Kristin kommentiert. Einer von ihnen ist Bürgermeister der Stadt Wolfenbüttel Ivica Lukanic: „Ich habe Verständnis für Ihre Sorgen und den Wunsch nach einer kinderärztlichen Notfallversorgung in Wolfenbüttel“, pflichtet er der 33-Jährigen bei. Doch der Stadt und ihm selbst seien die Hände gebunden. Zuständig sei hier die KVN, die er bereits kontaktiert habe. Trotzdem versuche er sich für das Vorhaben einzusetzen, denn den Ärger der Eltern könne er verstehen. Auch auf der Homepage der Stadt Wolfenbüttel wurde vor zwei Tagen ein Statement veröffentlich, das in die gleiche Richtung geht.


Mehr Themen: Kreis Wolfenbüttel: Weihnachtshaus leuchtet dieses Jahr nicht – die Energiepreise sind nicht der einzige Grund


Für Kristin ist eigentlich nur eins in dem ganzen Trubel wichtig: „Ich finde, man kann die Organisation auch schon mal hinterfragen und das Thema zur Diskussion bringen. Weil scheinbar besteht das Problem auch schon seit Jahren.“ Sie hoffe, dass sich an den Strukturen etwas verändert und auch an Menschen gedacht wird, die nicht so mobil seien. Denn ohne Auto oder ausgebauten ÖPNV ist es im Krankheitsfall schwierig selbst wenige Kilometer zurückzulegen.

Und wie geht es der kleinen Sophia? Wie Mutter Kristin abschließend erzählt, geht es dem fünfjährigen Mädchen wieder gut. Und das ist erstmal die Hauptsache.